VON RICHARD UND ADELHEID OBST


Die heutigen Bürger der Stadt und des Kreises Mettmann verbinden mit ihrer Kreisstadt hohe Wohnqualität und ein anspruchsvolles Programm in Sachen Kultur, Sport und soziale Einrichtungen. Der seit der kommunalen Neugliederung im Jahre 1975 dazugehörige Stadtteil Metzkausen wird überwiegend als Ort des gehobenen Wohnens und von manchen als kleine Schlafstadt der Stadt Düsseldorf betrachtet. Der Hinweis, daß es sich bei dem damaligen Dorf Metzkausen um einen nicht unbedeutenden Zechenstandort gehandelt hat, wird viele erstaunen. Wir reden dabei nicht von Kohle, sondern von Blei und Zink.
Nur wenige wissen, wenn sie mit ihrem Fahrzeug die L 156 von Metzkausen nach Ratingen-Homberg fahren, daß sich kurz nach dem Ortsausgang auf der linken Straßenseite die ehemalige Blei- und Zinkerzgrube Benthausen befand. So waren im Haus Nr. 23 die Kantine und die Schlafräume für bis zu 400 Bergarbeiter untergebracht. Das Haus Nr. 35 bis 37 - vor der Renovierung ein einfacher Ziegelbau - war das ehemalige Beamtenhaus. Noch heute zeigt das davorliegende Buschgelände deutliche Spuren der alten Abraumhalde, und wenn man sich genau umsieht, erkennt man noch das inzwischen zubetonierte Mundloch des Förderschachtes sowie die Reste seiner Widerlager.
Dem unbefangenen Beobachter drängen sich viele Fragen auf. Warum ist ein Blei-
und Zinkbergwerk ausgerechnet in Mettmann-Metzkausen errichtet worden? Wofür brauchte man in früheren Jahren Blei und Zink? Konnte ein solches Bergwerk überhaupt rentabel betrieben werden? Wer war damals in der Lage, solch umfangreiche Investitionen zu tätigen?
Das Gebiet der Zeche Benthausen ist ein im äußersten Südwesten liegender Ausläufer des „Velberter Sattels". Der südliche Teil besteht überwiegend aus Schichten des unteren und oberen Devons sowie des oberen Mitteldevons. In den Erdformationen des Devons vermutete man zunächst keine abbauwürdigen Blei-, Kupfer-, Zinn- und Zinkadern. Sie durchziehen aber an bestimmten Bruchstellen auch die devonischen Schichten.
Die Zeche Benthausen ist nicht die einzige Blei- und Zinkerzgrube gewesen. Im Osten und Nordosten gab es zum Beispiel auch die Zechen Fortuna, Emanuel, Josefine, Fernande und Wilhelm II. Diese Zechen lagen allerdings auf dem Gebiet der heutigen Städte Wülfrath und Velbert. Verschiedentlich wurde schon im 16. Jahrhundert in den vorgenannten Zechen nach Blei und Zink geschürft.
Man hatte zunächst auf den Feldern des Gutes Benthausen in Metzkausen Blei und Zink gefunden. Bereits in einer Beschreibung aus dem Jahre 1740 wurde auf dieses Blei- und Zinkerzvorkommen hingewiesen. Am 12. Dezember 1752 wurde dem Freiherrn vor Syberg auf Aprath, dem damaligen Besitzer des Gutes Bent-
hausen, für einen Stoller "Erbstollengerechtigkeit" gegeben und derselbe „mit sechs nächsten Maaßen" belehnt. Wegen der hohen Investitionskosten und der damit verbundenen Risiken kam es zu keinem systematischen Abbau. Die Vorkommen wurden landesweit kaum abgebaut, da der Landesherr den „Zehnten" verlangte und keiner sonderliches Interesse hatte, etwas zu riskieren, wenn er nicht selbst den Erfolg haben oder den Handel betreiben konnte.
Die Zeche Benthausen, über die hier berichtet wird, hatte keine lange, dafür aber eine sehr bewegte Geschichte. 1885 entdeckten die Gebrüder Römer das Erzvorkommen erneut. Sie ließen Untersuchungen anstellen und tatsächlich ergaben die Bohrungen erhebliche Bleivorkommen. 1886 wurden dem königlichen Oberbergamt in Dortmund die ersten Mutungen des Erzvorkommens handschriftlich eingereicht. Einige Zeit später am 30. August 1889 wurde unter genauer Angabe der Grubenfelder die Genehmigung zum Abbau des Erzes „Im Namen des Königs"
durch das Oberbergamt erteilt. Weitere Untersuchungen ergaben, daß tiefergelegene Schichten eine Mächtigkeit zwischen 7 und 30 cm hatten und somit das Erzvorkommen abbauwürdig war. Damit waren die Grundvoraussetzungen für den umfangreichen Ausbau eines Blei- und Zinkerzbergwerks gegeben. Zunächst wurde ein Schacht von 74 Metern abgeteuft. Von dort aus wurden mehrere Querschläge und Stollen in verschiedene Richtungen vorangetrieben. Die Zeche wurde laut Urkunde des Oberbergamtes von 1892 auf neun Grubenfelder erweitert. Ein weiterer Schacht von 131 Metern Tiefe wurde notwendig. Im Endausbau hatte das Erzbergwerk außer diesen beiden Schächten weitere 10 Luftschächte, ein Stollenmundloch im Weyermannsbusch, sowie in der 44 Meter tiefen Sohle 4500 bis 5000 Meter Strecke, in der 74 Meter tiefen Sohle 1500 Meter Strecke und in der 131 Meter tiefen Sohle 2000 Meter Strecke.

Von der Eisenbahn in Köln wurden eine Halle in einer Größe von 15 x 25 m und ein Dampfkessel gekauft. Der Transport dieser Großgüter von Düsseldorf nach Metzkausen bereitete für damalige Verhältnisse extreme Probleme. Für den Transport des Kessels von Düsseldorf nach Metzkausen waren bis zum alten Gallberg 28 Kaltblutpferde erforderlich. Dabei handelte es sich um eine relativ ebene mit nur einer mäßigen Steigung versehenen Strecke. Vom Gallberg bis zum Zechengelände waren dann sogar 54 Pferde notwendig. Für heutige Verhältnisse ist es fast unvorstellbar, welch ein technischer Aufwand erforderlich war, um bis zu 54 Kaltblutpferde gleichzeitig einzuspannen.
Der Kessel und die Lokomotivhalle wurden auf dem damaligen Zechengelände aufgebaut. Das erste Zechengebäude war allerdings die Bleiwäsche. Es folgten die Häuser für die beiden Fördermaschinen, eine Schmiede und Schlosserei, die Schreinerei und ein zweistöckiger Pferdestall für zwölf Pferde sowie ein Beamtenhaus, in dem vier Familien wohnten.
Zur damaligen Zeit gab es auch in Metzkausen schon elektrischen Strom, mit dem das Licht für den Betrieb erzeugt wurde. Um das Wasser aus den Stollen und Schächten zu pumpen, waren leistungsfähige Maschinen erforderlich, die nur mit Starkstrom betrieben werden konnten. Auch den gab es damals schon. Dabei handelte es sich allerdings um eine Seltenheit. Aber selbst den Luxus einer Telefonanlage von Metzkausen nach Mettmann leisteten sich die damaligen Grubeneigentümer, die Herren Römer.
Nach den Erstinvestitionen erforderten die bisher beschriebenen umfangreichen Erweiterungen der Stollenanlagen und Gebäude naturgemäß einen sehr hohen Investitionsaufwand. Selbst sehr reiche Leute dürften Schwierigkeiten gehabt haben, ein solches Blei- und Zinkbergwerk von den Investitions- bis zu den Betriebskosten zu finanzieren. Seinerzeit gab es eine heute kaum mehr bekannte, aber sehr moderne Möglichkeit der Finanzierung einer solchen Erzgrube.

Wie heute große Firmen, die als Aktiengesellschaften organisiert sind, Aktien herausgeben, wurden damals - wie die Urkunden belegen - 1000 Kuxen unter notarieller Aufsicht ausgegeben. Kuxen sind auf den Namen lautende Wertpapiere, die auf einen bestimmten Anteil (1/100stel, 1/1000stel, 1/10000stel usw.) an einer bergrechtlichen Gewerkschaft lauten. In ihrer Handhabung ähneln sie vinkulierten Namensaktien, das heißt, eine Übertragung der Kuxen durch Übertragungsvermerk auf der Rückseite war relativ leicht möglich, erforderte aber die Zustimmung der bergrechtlichen Gewerkschaft als Emittentin oder Herausgeberin der Kuxe.

Heute dürfen bergrechtlichen Gewerkschaften nicht mehr gegründet werden. Sie wurden nach neuerem Recht von den Aktiengesellschaften verdrängt. Wenn man von Gewerkschaften spricht, denkt man automatisch an politisch orientierte Vereinigungen von Arbeitnehmervertretern. Das gilt nicht für bergrechtliche Gewerkschaften. Diese waren eine Kapitalgesellschaft des Bergrechts ohne festes Grundkapital und im weitesten Sinne mit Aktiengesellschaften vergleichbar. Die Gewerken, das waren die Eigentümer der Kuxen oder auch Gesellschafter, nahmen am Gewinn und Verlust entsprechend dem Verhältnis ihrer Kuxe - das war in Benthausen mindestens 10000stel - teil. Einzelne reiche Personen erwarben von den hier ausgegebenen Kuxen sogar bis zu 94 Stück. Die Erwerber kamen aus ganz Deutschland und zum Teil sogar aus dem Ausland. So waren etwa der Freiherr von Baden-Baden, die Herren von Tippelskirch und Schlieper und mehrere Fabrikanten, Gutsbesitzer und Rentner aus Wiesbaden, Straßburg, München usw. Eigentümer von Kuxen. Diese Personen waren natürlich an einer möglichst großen Rendite interessiert. Die Hoffnungen bestätigten sich auch zunächst. Als 1891 der Erzabbau begann, erzielte man einen schon damals höchst beachtlichen monatlichen Überschuß von ca. 12000 Mark.
Wegen seiner Reinheit fand das Bleierz sowohl als Treiberz bei der Silbergewinnung als auch in der Emailindustrie als Glasurerz umfangreiche Verwendung. In der Hauptsache wurde es allerdings für Leitungsrohre und zur Munitionsherstellung gebraucht.
Mit der Erzförderung und dem damit verbundenen Betrieb der Zeche entwickelte sich auch für die Geschäfts- und Wirtsleute in Metzkausen und Mettmann eine Blütezeit, denn der Bedarf von bis zu 400 Arbeitern auf der Zeche mußte befriedigt werden. Es waren aber nicht nur die Arbeiter, sondern auch ihre Familien, die sich hier ansiedelten. Junge ledige Arbeiter aus der Eifel und dem Westerwald wurden hier ansässig und gründeten Familien.
Zwischenzeitlich ersetzte die Armee die Bleigeschosse durch Stahlgeschosse und in der Industrie wurden weitgehend Stahlrohre statt der Bleirohre produziert. Damit kam es für die Zeche Benthausen zwangsläufig zu einer schicksalshaften Wende, die in weiten Teilen mit der aktuellen Entwicklung des Kohlebergbaus im Ruhrgebiet vergleichbar ist. Leider war der Kaiser zur damaligen Zeit nicht bereit, die


Zeche Benthausen zu subventionieren, um dort Arbeitsplätze zu erhalten. 1895 standen daher nur noch 149 Personen auf der Lohnliste der Schachtanlage. Der Preisverfall auf dem Londoner Metallmarkt um die Jahrhundertwende wirkte sich auch auf Benthausen aus. Da das Erz aus dem Ausland billiger eingeführt werden konnte als es auf der Zeche Benthausen gefördert wurde, war das Ende des Zechenbetriebs absehbar. Nachdem die Schachtanlagen immer unrentabler arbeiteten und rote Zahlen geschrieben wurden, kam es 1904 trotz des damals guten Zustands der Grube und der Abbaumöglichkeiten von mehr als 1500 Tonnen Bleierz zu einer endgültigen Stillegung der Zeche Benthausen. Damit starb ein für die Region bedeutsamer Wirtschaftsbetrieb in aller Stille.
Ob sich der Erwerb der Kuxen als Wertpapiere finanziell gelohnt hat, erscheint in Anbetracht der Höhe der Investitionen und Betriebskosten trotz der anfänglich sehr hohen Gewinne höchst zweifelhaft. Die
Gebäude wurden verl t oder abgerissen. Fritz Wehrmeister erwarb damals für 3200 Mark den größten Teil der Betriebsgebäude. Für das Zechengebäude wurden lediglich 8000 Mark gezahlt. Hierbei muß allerdings darauf hingewiesen werden, daß der Eigentümer auch die Schachtanlagen auf dem Gelände mit erworben hat, die er beseitigen lassen mußte. Trotz der nicht unerheblichen Strecken- und Stollenvortriebe auf den verschiedenen Sohlen mit einer Länge von insgesamt ca. 8500 Metern ist es nie zu Problemen wie zum Beispiel Tagesbrüchen in diesem Bereich gekommen.
Es hat sogar ernsthafte Überlegungen gegeben, die Zeche Benthausen im Jahre 1913 zu revitalisieren. Aus einem Gutachten des Bergassessors Arnold aus Düsseldorf vom 15. November 1913 geht hervor, daß dann, wenn ihm Mittel zur Verfügung gestellt würden, er sich für die Wiederaufnahme des Zechenbetriebes Benthausen einsetzen würde, weil nach seiner Überzeugung die Zeche bei geeigneter Betriebsleitung und Verwaltung zu einem gewinnbringenden Betrieb geführt werden könnte. Leider ist diese Idee nicht aufgegriffen worden. Dabei hätten sich die daraus resultierenden zusätzlichen industriellen Impulse auf die weitere Entwicklung der Region möglicherweise durchaus positiv auswirken können.
Wer weiß, ob nicht früher oder später die Bodenschätze unterhalb des Zechengeländes für den bergischen Raum noch einmal bedeutsam werden können. Auf absehbare Zeit jedoch wird die Zeche Benthausen im heutigen Mettmann-Metzkausen wohl nur Geschichte bleiben.

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